Vom Glück, Hühner zu halten - gerade in Zeiten von Corona und Stallpflicht

Zwischen Kükenkuscheln und Kackekratzen. Aus dem Leben einer Hühnerhalterin.

Küken sind flauschig, Küken sind süß, und Küken wachsen rasend schnell.

Und bald schon sind sie erwachsen, und kacken zumindest genauso viel wie sie fressen - eine Menge.

Doch Kotbrett kratzen und Stall misten hat auch etwas meditatives.

Die wenigsten können sich vorstellen, wie das mit der Hühnerhaltung aussieht. Zuerst einmal vorweg, vergesst Urlaub, und vergesst langes Ausschlafen, denn das funktioniert nicht zusammen mit Hühnerhaltung.

So manchen Morgen möchte man gerne einmal ausschlafen und einfach im Bett liegen bleiben, doch die Hähne bekunden lauthals, dass sie andere Vorstellungen haben.

So beginnt also der Tag eines Hühnerhalters früh.

Die Tiere möchten raus, und der Hühnerhalter kann die Hinterlassenschaften der Nacht vom Kotbrett abkratzen. Denn die Verdauung der Hühner funktioniert schnell, sehr schnell. Während die Verdauung eines Menschen circa 24 Stunden dauert, haben Hühner eine Verdauung im Eiltempo.

Was sie jetzt fressen, kommt 2 Stunden später schon wieder ans Tageslicht. Und da die Hühner sich abends den Kropf so richtig voll schlagen, kann man sich denken, wie morgens das Kotbrett aussieht.

Oft schimpft man vor sich hin und denkt sich, wie schön doch jetzt dieses oder jenes sei, und man sich der Realität gegenüber gestellt sieht und in der Kacke wühlt...

Die Tränken müssen jeden Tag geschrubbt und frisch befüllt werden, und auch beim Futter muss man regelmäßig für Nachschub sorgen.

Ein ewiger Kreislauf könnte man denken.

Doch warum tut man sich so etwas an? Doch nicht allein wegen der zugegebenermaßen sehr leckeren Eier.

Geht es den Tieren gut, sind sie gut versorgt und der Stall ist sauber, macht sich ein Gefühl der Zufriedenheit breit. Der lang anhaltenden Zufriedenheit. Man hat den Tieren etwas Gutes getan, man hat sich an der frischen Luft bewegt, man hat Stress abgebaut.

Und genau das ist der entscheidende Punkt: Stressabbau. Darum tut man sich das jeden Tag immer wieder an, bei jedem Wetter, egal ob es regnet, schneit, oder die Sonne scheint. Bei -20° und bei +40°.

Im Winter legt man Tränkenwärmer unter die Tränken, und trotzdem frieren sie ein wenn es richtig kalt wird. Man huscht dann im Stundentakt durch die Ställe damit die Eier nicht einfrieren.

Befindet man sich in der Brutsaison könnte schließlich aus jedem Ei ein Küken schlüpfen. Und könnte man verantworten, dass dieses Küken schon erfriert, noch bevor es sich entwickelt hat?

Die Frage kann ich mit einem eindeutigen NEIN beantworten.

Schlüpfen dann die ersten Küken wieder, ist man absolut entzückt. Man vergisst den Dreck und die Arbeit, und das Herz schmilzt beim Anblick dieser flauschigen und entzückenden Wesen nur so dahin.

Was könnte man sich alles von dem Geld kaufen, was so eine Hühnerhaltung verschlingt?

Aber für alles Geld der Welt bekommt man dieses Glück nicht gekauft, dass die Tiere einem an einem warmen Sommerabend zurückgeben, wenn man lässig auf der Hollywoodschaukel sitzt, und die prächtigen Tiere im Licht der untergehenden Sonne anschaut.

Ich weiß, wir Tierfreunde haben einen verklärten Blick auf die Sicht der Dinge. Und jeder klar denkende Mensch würde sagen, fahre doch drei Wochen in Urlaub, fliegt in die Karibik, mach eine Kreuzfahrt von dem Geld.

Unabhängig vom ökologischen Fußabdruck, den ich dadurch hinterlassen würde... denn auch Tiere produzieren bekanntlicherweise CO2... kaum bin ich mal ein paar Tage von zu Hause weg, bekomme ich Heimweh nach den Tieren.

Und in manchen stressige Situation wünscht man sich nichts sehnlicher, als im heimischen Stall misten zu dürfen.

Ein wenig verkehrte Welt, aber für jeden verständlich, der vom Hühnervirus infiziert ist. Man sitzt zwischen den Tieren und es scheint einem die Sonne aus dem Arsch.

Entschuldigt bitte die Wortwahl, aber so sprechen wir hier im Pott. Klar und direkt. Ohne viel Tamtam.

Und obwohl ich niemals in meinem Leben Hühner wollte, ja, ihr lest richtig, habe ich eine Hühnerzüchterkarriere wie aus dem Bilderbuch hinter mir. Vom Rassegeflügelaussteller, zum Deutschen Meister, bis hin zum Europa Champion, von der Geschäftsführerin im heimatlichen Kreisverband bis zur Geschäftsführerin beim VHGW, dem Verband der Hühner-, Groß- und Wassergeflügelzüchter habe ich alles hinter mir.

Doch das sinnvollste was ich in dieser Zeit getan war, mich einer Arbeitsgemeinschaft anzuschließen, die sich zusammen mit Wissenschaftlern für das Wohl der Tiere einsetzt, gegen eine Stallpflicht während der Vogelgrippe.

Das kollidierte natürlich mit meinen Ämtern als Funktionärin in den Verbänden - was man vorausahnen konnte.

Denn diese setzen einfach andere Prioritäten als ich.

Für mich ist ein Pokal oder ein Band nichts wert, wenn meine Tiere eingesperrt sind und nicht an die frische Luft dürfen.

Und letztendlich erkannte ich, was mir wirklich wichtig war: glückliche und gesunde Tiere, die auf der Wiese frei laufen dürfen, die dem Erhalt ihrer Rasse dienen, und die bei mir alt werden dürfen, egal ob sie noch Eier legen oder nicht. Tiere die zutraulich sind und mir vertrauen.

Für diese Tiere bin ich ihre ganze Welt.

Dass die Tiere noch dazu wunderschön sind, ist ein kleiner Bonus.

Und wenn ich das nächste Mal wieder so richtig Stress habe, dann gehe ich einfach in den Stall misten.

Und gerade in Zeiten von Corona, wo andere nichts mit sich anzufangen wissen, fühle ich mich prädestiniert, einen Garten mit eigenen Hühnern zu haben.

Auch wenn wir aktuell einmal wieder die Hühner einsperren müssen, weil irgendwo, noch nicht einmal in unserer Nähe, in einer Massentierhaltung die Vogelgrippe grassiert. 

Aber das ist wieder ein anderes Thema.